Synagogen in Leipzig

Lichtinstallation von Nina K. Jurk

Das Kunstprojekt wurde erstmals 2002 errichtete und im Sommer 2023 erneuert.

Die Lichtobjekte verweisen auf nicht mehr vorhandene Synagogen

Sie sind an 14 Orten aufgestellten und erinnern in ihrer Ausführung an Schriftrollen. 160 Zentimeter hohe Lichtsäulen aus Acrylglas beherbergen, auf Pergament gedruckt, das Gedicht „Todesfuge“ von Paul Celan. Auf dem Sockel der Säulen informiert eine Tafel über den Namen und die Daten der ehemaligen Synagoge beziehungsweise Betstube. Bei Einbruch der Dämmerung beginnen die Säulen von innen heraus zu leuchten.

Eine Karte der Synagogen

Auch deren Liste ist nicht vollständig. Wir notieren hier weitere Informationen zu diesen Synagogen und erweitern diese allmählich:

  1. Ez-Chaim-Synagoge, Otto-Schill-Straße 8 (frühere Anschrift: Apels Garten 4) zerstört 9./10.11.1938

    „Ez-Chaim“ heißt „Lebensbaum“, wie er laut Ersten Buche Mose, im zweiten Kapitel, Vers 9, im Garten Eden, dem Paradiese gepflanzt wurde. In der Synagoge heißen die Hölzer, um die die Tora-Rolle gewickelt ist, „Lebensbaum“. Der Wortbestandteil „Chaim“ erinnert zugleich an den Vornamen eines großzügigen Geldgebets, Chaim Eitingon.

  2. Ohel-Jakob-Synagoge, Pfaffendorfer Straße 4, zerstört im 2. Weltkrieg

    Der Name bedeutet „Zelt Jakobs“. Wer eine Synagoge betritt, zitiert mitunter aus dem Vierten Buche Mose, Kapitel 24, Vers 5, „Wie gut sind deine Zelte Jakob!“

  3. Bethaus Bikur Cholim, Eisenbahnstraße 9, Gebäude erhalten

    Zu einer gut organisierten Gemeinde gehört ein Verein, der sich dem Krankenbesuch, hebräisch „Bikur Cholim“ widmet. Diese sozial engagierten Frommen unterhielten hier eine eigene Gebetsstätte.

  4. Bet-Jehuda-Synagoge, Färberstraße 11, Hofgebäude, Gebäude erhalten

    Mit dem Namen „Haus Judas“ erinnert die Witwe von Julius/Juda Ariowitsch, die im Vorderhaus wohnte, offenbar zugleich an ihrem verstorbenen Mann.

    Ahawas-Thora-Synagoge, Färberstraße 6, zerstört im 2. Weltkrieg

    Die „Liebe zur Lehre“, so eine Übersetzung des hebräischen Namens, läßt erkennen, daß sich hier eine Tora-Lerngruppe trifft. Hier unterrichtete Rabbiner David Feldmann.

  5. Schaare-Zedek-Synagoge, Schillerweg 31, Gebäude erhalten

    Psalm 118, Vers 19, lautet die Bitte „Öffnet mir die Tore der Gerechtigkeit. Ich will hineingehen und danken.“ Die Tore der Synagoge stehen für solche Gelegenheit offen, sind also „Schaare Zedek“ – „Tore der Gerechtigkeit“.

  6. Tiktiner Synagoge, Brühl 71, zerstört im 2. Weltkrieg

    »Zum blauben Harnisch« hieß ein Haus auf diesem Grundstück. Später bekam die Stelle die Anschrift „Brühl 71“ und noch später – wohl durch den Zugang von der anderen Seite – „Richard-Wagner-Straße 3“. 1753 befand sich auf diesem Gelände die Betstube der Brodyer, die ab 1904 in der Keilstraße 4 ihre Synagoge hatten. Rabbiner Dr. Felix Goldmann merkt in seinem Beitrag „Der Charakter der Leipziger Gemeinde“ in der Festschrift zum 75jährigen Bestehen der Leipziger Gemeindesynagoge (Neuauflage hrsg. von der Ephraim-Carlebach-Stiftung, Berlin 1994, S. 77, Anm. 1) an: „Die ‚Tiktiner Schul‘ heißt aber nicht nach dem Orte sondern nach ihrem Gründer.“ (Hinweis von Sven Trautmann) Der Gründer, auf den wir gern noch Hinweise sammeln, hat seinen Namen vermutlich von dem Ort Tiktin (Tykocin, heute Nordostpolen 53°12’N, 22°46’O).

  7. Bochnia und Jassyer Synagoge, Gerberstraße 48/50, zerstört im 2. Weltkrieg

    Zwei Synagogen unter der gleichen Adresse:

    Es heißt, die Bochnia-Synagoge sei 1898 eingerichtet worden. Ihr Name weist auf die Herkunft ihrer Gründer aus dem gleichnamigne Ort in Polen hin (dt. Salzberg, 49°49’N, 20°26’O). Mitte des 13. Jh. waren dort große Salzvorkommen gefunden worden. Spätestens seitdem gab es dort auch eine jüdische Bevölkerung. Zwischen den beiden Weltkriegen war etwa ein Viertel der Bevölkerung Bochnias jüdisch (etwa zweieinhalb- von etwa zehntausend).

    Der Name der Jassyer-Synagoge weist auf die Herkunft ihrer Gründer aus Jassy (Iasi, Rumänien, 47°9’N, 27°35’O). Die Herschaft über die Stadt wechselte Die Stadt hatte einst 127 Synagogen. Um 1900 war mehr als die Hälfte der Stadtbevölkerung jüdisch (nach einer Angabe von 1910: 33 141 von 59 427). Am 29. Juni 1941 wurden über 13 000 von ihnen ermordet.

  8. Mischnajos-Synagoge, Humboldtstraße 24 (Löhrs Carré), zerstört im 2. Weltkrieg

    Unter dieser Adresse kursieren auch die Bezeichnungen „Vierundzwanziger-Synagoge“ – offenbar nach der Hausnummer – und „Hindenburg-Synagoge“ – anscheinend eine patriotische Gesinnung ausdrückend. Wir sind gespannt darauf, was wir über das Verhältnis zu diesen Bezeichnungen noch erfahren werden.

    Mischnajos ist eine Pluralform von Mischna, dem ersten nachbiblischen rabbinischen Kodex aus dem zweiten Jahrhundert chr. Zeitrechnung. Das Wort ist eines von mehreren hebräischen Wörtern für Lehre. Mischna-Studium ist die Vorbereitung oder der Einstieg für Kinder und Jugendliche in das Talmud-Studium.

  9. Kolomea Synagoge, Berliner Straße 4, zerstört im 2. Weltkrieg

    Der Name weist auf eine Stadt (und einen Bezirk) in Galizien, heute in der Westukraine (Kolomyja 48°31’N, 25°2’O). Anfang des 20. Jh., vor dem Zweiten Weltkrieg war über ein Drittel der Einwohner jüdisch (etwa 14 von 34 Tausend).

    Krakauer Synagoge, Berliner Straße 10, zerstört im 2. Weltkrieg

    Zu dieser alten Metropole hier nur zwei Einzelheiten: Die erste bekannte Erwähnung Krakaus geht auf einen Reisebericht von Ibrahim Ibn Jakob al-Israili al-Tartuschi um 965 zurück. Der Krakauer Rabbiner Mose Isserles (1525–1572) verfaßte die wesentliche aschkenasische Ergänzung zu dem entscheidenden Halacha-Kompendium Schulchan Aruch.

  10. Bethaus des Rabbiners Friedmann, Leibnitzstraße 24, Gebäude erhalten

    Rabbiner Friedmann war der Zaddik der Ruzsyner Chassidim in Leipzig. Die Athmosphäre dieses Hauses hat Simson Jakob Kreutner in dem Kapitel „Der Rebbe“ in seinem Buch „Mein Leipzig“ eindrücklich beschrieben.

  11. Merkin-Synagoge, Ritterstraße 7 (Strohsackpassage), Gebäude erhalten

    Die Synagoge ist nach der Familie Merkin benannt, die sie entscheidend gefördert hat. Ruven Merkin kam um 1900 nach Leipzig.

  12. Lemberger Synagoge, Schützenstraße 7 (Hochhaus Wintergartenstraße), zerstört im 2. Weltkrieg

    Der Name der Synagogen weist auf die Herkunft ihrer Gründer aus Lemberg (Lewow/Lewiw in der Westukraine). Martin Buber hat dort prägende Jahre bei seinem Großvater verbracht, der viele Werke der rabbinischen Überlieferung zum Druck brachte.

  13. Bernstein-Synagoge, Eberhardstraße 11 (Parkplatz des Westin-Hotels an der Nordstraße), zerstört im 2. Weltkrieg

    Diese Benennung in den Gemeindenachrichten rührt von ihrem Begründer und Förderer Leib Berrnstein und seiner Familie. Gelegentlich wird unter der Adresse die Tifereth-Jehuda-Synagoge genannt. Tif’éret heißt Schmuck. In den biblischen Klageliedern, Kapitel 2, Vers 1, wird der (zerstörte) Tempel als „Schmuck Israels“ bezeichnet. Synagogen werden mitunter als „kleines Heiligtum“ angesehen.

  14. Bethaus in einem Wohngebäude, Aurelienstraße 14, Gebäude abgerissen

Der Flyer mit den Installationsorten